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Atemmuskeltraining
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BETEILIGUNG DER ATEMMUSKULATUR BEI ALS
Dipl.Ing. Dr. Heinz Lahrmann
Die amyotropher Lateralsklerose (ALS) gehört zur Gruppe der neuromuskulären Erkrankungen und ist durch zunehmende Lähmungen (Paresen) und Muskelschwund (Atrophien) charakterisiert. Der Verlauf und das Fortschreiten der Erkrankung ist individuell sehr unterschiedlich. In jedem Fall stellt die Beteiligung der Atemmuskulatur für den Patienten einen entscheidenden Wendepunkt dar. Bei vielen ALS-Patienten ist bei Manifestwerden einer Atemmuskelschwäche die Beweglichkeit jedoch bereits weitgehend eingeschränkt, sodaß Atemnot bei Belastung ein selten auftretendes Symptom ist. Erste klinische Hinweise für eine Atemmuskelschwäche können Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit, Konzentrationsschwächen, morgendliche Kopfschmerzen, Müdigkeit tagsüber und häufiges nächtliches Erwachen sein. Eine definitive Diagnose erfordert jedoch Spezialuntersuchungen, die nur an entsprechend ausgerüsteten Abteilungen mit entsprechendem Fachwissen und Erfahrung durchgeführt werden können.
Die Analyse der Blutgase in Körperruhe zeigt wieviel Sauerstoff und Kohlendioxyd im Blut ist, die Spirometrie gibt Aufschluß über die Atemmechanik und eine nächtliche Pulsoximetrie weist Abfälle des Sauerstoffgehaltes im Blut während des Schlafes nach. Mit Mund- oder Ösophagusdruckmessungen können Atemmuskelkraft und Ausdauer bestimmt werden. Mittels neurophysiologischer Untersuchungen des Zwerchfells können Zeichen einer Schädigung dieses wichtigsten Atemmuskels sehr früh erkannt werden. Nur bei rechtzeitige Feststellung einer beginnenden Atemmuskelschwäche können Patienten und Angehörige ausreichend informiert werden, notwendige Schritte zur Erleichterung von Atemnot geplant und so dem akuten Atemversagen mit Notfallsbeatmung und Intensivstation vorgebeugt werden. Dem Patienten und seinen Angehörigen stehen dann ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Verfügung alle möglichen Schritte mit dem Arzt zu besprechen und aktiv an dem Entscheidungsprozeß bezüglich der weiteren Vorgangsweise teilzunehmen. Bei Eintritt einer manifesten Atemmuskelschwäche kann die nichtinvasive Heimbeatmung zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten (Linderung der Atemnot, Verbesserung der Schlafqualität) und als lebensverlängernde Maßnahme entscheidend beitragen. Die intermittierende, dh. stundenweise, nichtinvasive Beatmung, besser Atemhilfe, erfolgt mit einem individuell eingestellten Überdruck über eine Nasen- bzw. Nasenmundmaske. Die Beatmung und somit die Erholung der Atemmuskulatur erfolgt zuerst nur nachts, kann aber auch tagsüber stundenweise angewandt werden. Sie wurde bisher von den Patienten sehr gut angenommen, verbesserte ihre Lebensqualität deutlich und ist mit einer geringen Belastung für Patienten und Betreuer verbunden. Grundsätzlich ändert die intermittierende, nichtinvasive Beatmung aber nicht den Verlauf der Erkrankung mit zunehmender Schwäche und Muskelschwund. Infolgedessen kann eine Zunahme der Beatmungsdauer notwendig werden, um Symptome der Atemnot zu lindern. In weiterer Folge muß daher mit dem Patienten und den Angehörigen die Möglichkeit einer "invasiven" Beatmung über einen Luftröhrenschnitt (Tracheostoma) besprochen werden. Diese Beatmungstherapie ist in der Pflege wesentlich aufwendiger, ermöglicht jedoch eine Sekretabsaugung und eine 24-Stunden Beatmung, falls notwendig. In diesem Stadium ist eine möglichst weitgehende Information des Patienten wichtig, um gemeinsam mit ihm die schwere und weitreichende Entscheidung bezüglich einer Dauerbeatmung zu treffen. Auch sollte klar dargelegt werden, daß die freiwillige Beendigung einer Beatmung auf Wunsch des Patienten jederzeit möglich sein sollte und entsprechende Maßnahmen zur Verfügung stehen, um quälende Atemnot witgehend zu lindern. In diesem Zusammenhang soll auch auf die Möglichkeit einer Patientenverfügung (eng. "advanced directive") hingewiesen werden. Dabei handelt es sich um ein Dokument in dem der Patient glaubwürdig, dh. eventuell auch mit notariell beglaubigter Unterschrift, belegt, ob im Notfall eine maschinelle Beatmung begonnen werden soll und ob ein Aufenthalt auf einer Intensivstation mit lebensverlängernden Maßnahmen (Beatmung, künstliche Ernährung, Medikamente) gewünscht wird. Sinn dieser Patientenverfügung ist es die Entscheidungsfreiheit bezüglich der Durchführung möglicher Therapien auch dann zu gewährleisten, wenn der Patient aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage ist selbst zu entscheiden. Bei Eintritt der entsprechenden Notsituation soll dieses Dokument dem behandelnden (Not-) Arzt vorgelegt werden und wird dann sein Vorgehen beeinflussen. Es hat sich gezeigt, daß im Idealfall eine auf die individuelle Krankheitssituation zugeschnittene Patientenverfügung entwickelt werden sollte und diese vom Patienten regelmäßig erneuert werden muß (ca. 3-6 Monate), um aktuelle Gültigkeit zu haben. In Österreich gibt es einen sehr allgemein gehaltenen Vordruck der Caritas. Essentielle auf dem Weg zu einer solchen Patientenverfügung ist eine funktionierende Arzt-Patientenbeziehung. Der Patient und die ihn betreuenden Angehörigen müssen vollständig über die Erkrankung, ihren Verlauf und mögliche akute Zwischenfälle informiert werden. Effekt dieses Prozesses kann neben einer erhöhten Autonomie des Patienten und seinem Gefühl, trotz seiner schweren Behinderung wichtige Entscheidungen treffen zu können, auch die Förderung einer offenen Kommunikation zwischen Arzt und Patient sein. Die Atemmuskulatur ist Teil der quergestreiften Skelettmuskulatur, wie zum Beispiel die Bein- oder Armmuskulatur. Theoretisch sollte sie also nach den Prinzipien der Trainigslehre trainierbar sein. Viele Studien bei verschiedenen Erkrankungen (neuromuskuläre Erkrankungen, Lungenerkrankungen, etc.) haben diese Hypothese bestätigt und auch wir konnten in mehreren Untersuchungen positive Ergebnisse erzielen. Für Patienten mit ALS existieren aber bisher keine derartigen Studien. Aus diesem Grund haben wir mit einer Studie bezüglich der Möglichkeiten und Sinnhaftigkeit eines spezifischen Atemmuskeltrainings bei ALS begonnen. Grundsätzlich wird dabei nach einem genauen Protokoll sowohl die Kraft als auch die Ausdauerleistung der Atemmuskulatur trainiert. Ein entsprechend konzipiertes Trainingsgerät, das den Patienten während der 16-wöchigen Trainingsphase zur Verfügung gestellt wird, und engmaschige ärztlich Kontrollen sollen ein Übertrainieren und eine damit verbundene akute Atemmuskelschwäche verhindern. Weitere Informationen diesbezüglich sind beim Autor erhältlich.
Anschrift des Autors:
DI Dr. Heinz Lahrmann Neurologische Abt. Kaiser Franz Josef Spital Kundratstr. 3, A-1100 Wien Tel/Fax +43 1 601 91 2008/2009 e-mail: heinz.lahrmann@KFJ.magwien.gv.at
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