Ziel des Einsatzes von E-Portfolios ist die Schaffung eines
Lernumfelds, das speziell an die Herausforderungen der modernen,
wissensbasierten Arbeitswelt und des Erwerbs der dafür notwendigen
individuellen Kompetenzen angepasst ist. Im Mittelpunkt steht dabei
immer weniger der Erwerb und die korrekte Wiedergabe von Wissen,
sondern der Lernprozess an sich: die Entstehung von neuem Wissen, indem
bestehendes identifiziert, nutzbar gemacht und kombiniert wird.
Ein essentieller Bestandteil dabei ist das Element des sozialen
Lernens, die Möglichkeit, andere in den Lernprozess mit einzubeziehen.
E-Portfolios werden dann nicht nur genutzt, um Endergebnisse zu
transportieren, sondern vor allem auch, um frühestmöglich Anregungen
Dritter in Denkprozesse einließen zu lassen und eine kritische
Auseinandersetzung einzuleiten.
Als mögliches Beispiel sei die Erstellung einer schriftlichen
Hausarbeit angeführt: Schon erste Ideen werden online entworfen und
Kursteilnehmer eingeladen, in einem organisierten Peer-review-Prozess
direkt dazu Kommentare (und vice versa) abzugeben. Auf diese Weise wird
das eigene Konzept bis zur fertigen Arbeit weiterentwickelt.
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil ist die Integration anderer
Informationsquellen, zum Beispiel Passagen thematisch verwandter
Arbeiten oder auch einzelner Diskussionsbeiträge in E-Portfolios
anderer Kursteilnehmer.
Als Ergebnis dieser webbasierten Zusammenarbeit entsteht ein Netzwerk
aus miteinander verlinkten Informationsbausteinen sogenannter
Hypertext , erstellt von einem Autorenkollektiv.
Diese Möglichkeit zur Kontextualisierung und zur Einbettung einzelner
Informationsbausteine (micro contents) macht das E-Portfolio zu einem
dynamischen Lernraum, der wesentlich besser als bisherige, statische
Abbildungen von Wissen geeignet ist, die Anforderungen an das Lernen in
der modernen Wissensgesellschaft zu erfüllen.
Jedoch gilt es gegenwärtig noch ein fundamentales Hindernis zu
überwinden: die Unsicherheit darüber, ob und wie lange die vernetzten,
nur zu einem Teil auch selbst erstellten Texte bzw. Textbausteine
verfügbar bleiben. Es gibt derzeit kein anerkanntes Prinzip, auf das
sich Autoren verlassen könnten, wenn sie einen online verfügbaren
Textbaustein in ihr persönliches E-Portfolio einbauen möchten.
Für die Lösung dieser Problemstellung gilt es zwei Aspekte zu beachten:
Erstens ist es entscheidend, dass die Institution, die das E-Portfolio
zur Verfügung stellt, eine transparente Strategie entwickelt, wie mit
den entstehenden Inhalten in Zukunft verfahren wird, dh. vor allem wie
lange sie verfügbar bleiben. Diese Notwendigkeit besteht unabhängig von
der Möglichkeit, E-Portfolio-Inhalte zwischen Systemen und
Institutionen zu transferieren. Denn einerseits ist es für den Eigner
des E-Portfolios natürlich unabdingbar, seinen persönlichen Lernraum
dauerhaft nutzen zu können, andererseits sind in Bezug auf die
entstandene Hypertext-Struktur davon auch alle anderen Vertreter des
Autorenkollektivs betroffen.
Während diese Problematik zunehmend thematisiert wird, gilt das
Hauptaugenmerk dieses Beitrags einem zweiten, bisher kaum diskutierten
Aspekt. Geht man nämlich von einem stabilen Umfeld im Rahmen einer
bestimmten Institution, z.B. einer Universität aus, so bleibt für das
Funktionieren von Hypertextstrukturen immer noch die Voraussetzung,
dass sich auch die verschiedenen Eigner von miteinander vernetzten
E-Portfolios gewissen Regeln im Umgang mit den von ihnen erstellten
Inhalten unterwerfen, insbesondere was das Löschen von Information
betrifft.
Da derzeit jedoch die Autoren keine Möglichkeit haben, anderen zu
signalisieren, wie diese mit den zur Verfügung stehenden Texten
verfahren können, fehlt eine der wesentlichen Voraussetzungen für die
Entstehung und Weiterentwicklung dauerhaft (bis zu lebenslang?)
nutzbarer dynamischer Hypertextstrukturen. Diese Problemstellung stellt
den Ausgangspunkt zu folgenden Überlegungen dar.
Die einfachste Lösung, das Problem der verlässlichen Verfügbarkeit zu
lösen, wäre, online publizierte Informationen unverändert unter
derselben Internetadresse für immer zugänglich zu halten. Intuitiv wird
man aber sofort zu dem Schluss kommen, dass dies nur schwer
realisierbar sei. Das Hauptargument ist ökonomischer Natur: Wer soll
das bezahlen?
Eine für den Drucker geeignete Version des Textes finden Sie hier:
Bestandsgarantie als Voraussetzung für vernetzte E-Portfolios (PDF, 96 kB)
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