Factiva | Dow Jones & Reuters |
DOLES KEHRTWENDUNG IN DER WIRTSCHAFTSPOLITIK.
478 words 19 August 1996
Die Presse
German
(c) Die Presse 1996 www.diepresse.at.
Der ehemalige Fiskalfalke wendet sich nun der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik zu.
Von unserem Korrespondenten LUCIAN CASPAR WASHINGTON. Als Ronald Reagan im Wahljahr 1980 seine neue Wirtschaftsphilosophie artikulierte, nannte sein damaliger Parteirivale George Bush diesen Plan "Voodoo-Ökonomie". Bob Dole, der damals ebenfalls kandidierte, stand dabei und applaudierte. Denn Dole, der nun 73jährige Politveteran mit dem sarkastischen Mutterwitz, stammt aus einem Dorf im ländlichen Kansas, aus der Mitte des "Herzlands", und dieses Herzland war schon immer die Bastion des volkstümlichen, altmodischen Konservatismus, der dafür sorgt, daß die US-Politik trotz aller gelegentlich aufblitzenden Exzentrik im Grunde genommen konservativ ist.
"Spare wo du kannst"
Die Lektion, die seine Mutter und alle Nachbarn dem späteren Weltkriegshelden von Kindsbeinen auf eintrichterten, lautete: "Gib nicht mehr aus als Du hast und spar' wo Du kannst". Dole ist ein instinktiver "Defizit-Falke". Jetzt, mit seinem vor zehn Tagen veröffentlichten "Wirtschaftsplan" und der Ernennung Jack Kemps als "running mate", hat Dole eine Wende um 180 Grad vollzogen. Mit erstaunlicher Behendigkeit hat der bisher farblose Kandidat das graue Kleid des Fiskalfalken abgeworfen und sich in das schillernde, viel attraktivere Kleid der "supply sider" (angebotsorientiert) gestürzt, also die "pro-growth" Theorie Ronald Reagans, Martin Feldsteins (Reagans oberster Wirtschaftsberater) und David Stockmans (Reagans Budgetdirektor). Diese geht davon aus, daß, wenn man nur einen Teil der angeblich drückenden Steuerlast wegboxt, die auf der Wirtschaft lastet, die Wirtschaftstätigkeit so stark belebt wird, daß nicht nur die Konjunktur angeheizt, sondern auch die Produktivität erhöht wird und die Staatsfinanzen ins Gleichgewicht kommen. "Don't worry, be happy", scheint Doles neue Devise zu sein. Der Kandidat will die Steuern für alle Bürger um 15 Prozent senken (für Steuerzahler mit Einkommen von 25.000 bis 50.000 Dollar soll dies pro Jahr etwa 600 Dollar ausmachen, für Leute mit Einkommen zwischen 200.000 und 500.000 bis zu 11.000 Dollar), die Kapitalgewinnsteuer halbieren und dennoch das Bundesbudget bis zum Jahr 2002 ausgleichen. Anfangs war die Reaktion skeptisch, selbst innerhalb Doles eigener Partei. "Dole ist kein Reagan", war einer der typischen Kommentare. Aber mit der Ernennung Jack Kemps hat sich dies alles geändert. Denn Kemp ist einer der Urväter der supply-side Theorie; er huldigte der Doktrin noch vor Reagan. "Kemps Ernennung garantiert, daß Dole nicht wieder umfällt", hieß es in einem Republikaner-nahen Blatt. In den nächsten paar Wochen will das Dole-Team den Wirtschafts-und Steuerplan in den Mittelpunkt der Kampagne stellen. Wie die Steuersenkungen, die Dole plant, finanziert werden sollen, geht aus dem Plan nicht klar hervor, denn die (neuen) Sparübungen, die dazu nötig sind, sind noch nicht präzisiert worden. Nachdem Doles Kollegen unter Führung von Newt Gingrich die Staatsausgaben bereits jahrelang beschnitten haben, ist nicht klar, wo noch Fleisch am Knochen ist, denn das Verteidigungsbudget und die politisch heiklen Sozialprogramme "Social Security" (staatliche Altersvorsorge) und "Medicare" (Krankenversicherung für die Alten) will Dole von den Kürzungen ausklammern.
Document diep000020011017ds8j00a1u