Factiva | Dow Jones & Reuters |
Dollars and Sense.
743 words 26 January 2002
Der Standard
German
(c) 2002, Der Standard. http://www.derstandard.co.at/
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Mit seiner Gründung "Ben & Jerry's" - die politisch korrekte US-Eiscreme - schrieb Ben Cohen Marketing-Geschichte. Nach einem lukrativen Verkauf an Unilever hätte er sich zur Ruhe setzen können. Doch er betreibt weiterhin sein Lieblingsprojekt: soziale Verantwortung mit gutem Geschäft zu verbinden. Demnächst vielleicht in Ihrem Sportswear-Laden. Michael Freund hat ihn in Vermont besucht.
3,Unser Wirtschaftssystem beruht auf Eigennutz. Angebot und Nachfrage regulieren die gesellschaftlichen Kräfte, im Schnitt hat jeder etwas davon: Mit diesen durchaus ausgesprochenen Prämissen sind manche Länder groß und stark geworden, aber keines lebt den Ethos des Egoismus radikaler - und ist größer und stärker geworden - als Amerika.
Am ehesten bekommt die Wirtschaftsphilosophie des Laisser-faire einen Kratzer ab, wenn etwas all zu offensichtlich schief läuft. Dann explodiert mal ein Korruptionsskandal hinter der wirtschaftsliberalen Fassade, Regierungsinterventionen zugunsten von Konzernen oder Finanzmanipulationen in Richtung eines Spitzenmanagerkontos werden ruchbar. Die Exzesse der Casino-Ökonomie in den "gierigen Achtzigern" sind noch in guter Erinnerung, und der Fall von Enron bietet Anschauungsmaterial für Verwicklungen bis hin zum Vizepräsidenten und vielleicht noch höher.
Beobachter wie der konservative Kommentator William Safire sehen bei "Enrongate" allerdings nur das harte, aber gerechte Gesetz des Kapitalismus am Werk. Man wisse schließlich, worauf man sich einlasse, und die Letzten würden eben die Hunde beißen. Das System werde sich davon erholen und weiter florieren. Business as usual.
Nicht nur die "Letzten" - in diesem Fall Tausende von entlassenen Angestellten, die auch noch ihre Pensionen verloren haben - sind da anderer Meinung. Die Frage, ob Unternehmertum auch anderen Zielen als dem der brachialen Profitmaximierung dienen könnte, beschäftigt bekanntlich auch die Unternehmer selbst. Antworten darauf reichen von der Philanthropie früher Tycoons über die Umsatzprozente für Kultur bis zu Überlegungen, wie sich eine "sozial verantwortliche" Geschäftsaktivität entfalten lässt. Traditionelles Ethos mag dabei Pate stehen, Hoffnung auf spätere Rendite oder ein grünes Gewissen.
"Bei mir war es eine Kombination von allem", sagt Ben Cohen.
Nicht viele Amerikaner kennen den Unternehmer unter diesem Namen. Aber jeder kennt "Ben & Jerry's", eine der erfolgreichsten Eiscreme-Marken der letzten Jahrzehnte. Und viele wissen oder glauben wenigstens zu wissen, dass das Namens-Duo für ein besonderes Business-Prinzip steht: sozusagen die politisch korrekte Schleckerei, "Shopping für eine bessere Welt" oder, in Cohens Worten: "Wir wollten die Sorge um die gesellschaftlichen Zustände in unseren Geschäftsprozess einbeziehen."
Das war zumindest bis vor zwei Jahren so. Dann verlor der Mitbegründer die Kontrolle über seine eigene Firma. Seither widmet er sich dem gleichen Anliegen mit neuen Projekten. Und er unterstützt Initiativen, die das US-Militärbudget zugunsten sozialer Ausgaben begrenzen wollen. Seit dem 9. September scheint das hoffnungsloser als zuvor. Ben Cohen allerdings rechnet damit, dass die richtigen Argumente langfristig ihre Wirkung tun.
3,Werfen wir einen Blick zurück. Bennett Cohen und Jerry Greenfield, beide Jahrgang 1951, kannten sich aus der High School in Merrick, Long Island. Nach eineinhalb Jahren College, einer Ausbildung in Töpferei und einem Job als Lehrer für emotional gestörte Kinder gründete Ben 1978 mit seinem gastrophilen Freund Jerry ein Eisgeschäft in Burlington, Vermont, "weil diese nette College-Stadt noch keins hatte".
In dem nicht nur physisch grünen Staat Vermont sprach sich Ben & Jerry's wegen seiner gemeindenahen Geschäftspraktiken herum: Festivals für die Kunden, Milch von organischen Farmern, Gratis-Eis an den Jahrestagen der Gründung führten bald zu neuen Läden auch in anderen Teilen des Landes. "Wir erkannten", erinnert sich Cohen, "dass wir auf einer Erfolgsformel saßen, und wir entschieden, unsere wachsende Marktmacht für die Lösung sozialer Probleme einzusetzen. Unsere Franchises etwa gehörten Non-Profit-Sozialdiensten, die Minderheiten in der Ausbildung unterstützten: Die Geschäfte wurden damit zu Job-Training-Camps."
Nach zehn Jahren war Ben & Jerry's eine nationale Größe - laut einer Umfrage des Wall Street Journal eine der zehn Top-Marken des Landes - und eine Marketing-Erfolgsgeschichte wie aus dem Lehrbuch. Allerdings entsprach die Wirklichkeit nicht immer dem mit hippiesken Elementen verzierten Image der Firma. Manche ihrer Ideen gingen nach hinten los. So wurde ein Eissorte mit Nüssen aus dem brasilianischen Regenwald kreiert ("Rainforest Crunch"), die den Indios kaum etwas brachte, den Großhändlern dafür um so mehr. Oder die Initiative, das creme-getränkte Abwaschwasser aus der Fabrik in die Ställe der umliegenden Farmen zu leiten: Sie führte nicht zu glücklichen, sondern zu kranken Schweinen. Und man kann natürlich prinzipiell die politische Korrektheit des Verzehrs schwer gesüßter fetthaltiger Zwischenmahlzeiten anzweifeln. Doch immerhin wurden manche der kontraproduktiven Praktiken in der jährlichen
ir sitzen in Leunig's Café in Burlington zum Brunch und essen Suppe ohne Käse.
Document dstan00020020125dy1q0006l